Was muss ich bei einer (Auslands)adoption grundsätzlich beachten? Gedanken und Tipps damit es klappt!
Immer wieder sehe ich in Foren oder auf Facebook verzweifelte Hilferufe weil der kürzlich adoptierte Vierbeiner und seine Menschen nicht miteinander auskommen. Die Gründe hierfür sind sehr vielfältig und es bricht mir das Herz, denn die adoptierten Hunde sind IMMER die Leidtragenden. Opfer einer teilweise wenig durchdachten Vermittlung oder dem fehlenden Wissensstand der Adoptanten bei der Auswahl. Ich distanziere mich von vorschnellen Verurteilungen aber möchte mit diesem Artikel etwas Klarheit schaffen auf was Adoptanten achten sollten, wenn sie einen Hund adoptieren…
Als Adoptant sollte man sich vorab einmal damit auseinandersetzen, welcher Typ Hund am Besten zu einem passt. Bin ich ein recht sportlicher Mensch? Dann wäre ein sehr kurzbeiniger, gemütlicher Hund sicher nicht die richtige Wahl. Bin ich eher der gemütliche Couchpotato, dann würde ich einem sehr aktiven, sportlichen Hund sicher nicht das bieten können was er braucht. Habe ich ein oder mehrere sehr junge und hektische Kinder, welche sich kaum oder gar nicht kontrollieren lassen, wäre von der Adoption eines Welpen oder unsicheren Hund definitiv abzuraten bzw. zu überdenken ob jetzt wirklich schon der richtige Zeitpunkt für einen Vierbeiner ist.
Leider wird viel zu selten darauf geachtet, welche Rasseeigenschaften in meinem Wunschhund stecken könnten. Da werden jagdfreudige Hunde von Menschen adoptiert, welche in einem sehr wildreichen Gebiet wohnen, Hühner- oder Katzen daheim haben und eigentlich genau das Gegenteil adoptieren sollten.
Ein oft gehörtes Argument für die Wahl dieses Hundes ist dann “aber er war auf dem Bild so süß und ich wollte schon immer einen z.B. Jack Russel”. Oder Menschen, welche gerne einen gemütlichen Familienhund suchen, wählen einen Hütehund wie z.B. einen Border Collie, welcher komplett unterfordert mit seiner neuen Familie ist und sich daher seine (sehr oft ungewünschten) Aufgaben sucht. Auch der ach so putzige, große, wuschelige Herdenschutzhund, welcher seine Familie bedingungslos schützt ist für eine extrovertierte Familie mit vielen Besuchern sicher nicht die richtige Wahl.
Rasseeigenschaften wie Jagdtrieb, Schutzinstinkt, Territorialverhalten sind durch jahrzehntelange Zucht auf genau diese Verhaltensweisen genetisch festgelegt und dadurch auch nur bedingt trainierbar.
Natürlich ist es beispielsweise möglich einen Jagdhund mit Training besser abrufbar zu machen und einem territorialen Hund durch Besucherrituale beizubringen, dass Besuch noch möglich ist, aber es erfordert auch oftmals Management, Rücksichtnahme, Wissen, Geduld und Training.
Hier muss man sich die Frage stellen: Bin ich bereit diese Zeit, Geduld und eventuell auch das Geld für einen guten Trainer zu investieren damit ich gemeinsam mit meinem Hund und meiner Umwelt in Harmonie leben kann?
Die Vorgeschichte spielt ebenfalls eine große Rolle bei der Auswahl eines vierbeinigen Gefährten. Ein Welpe, welcher in einem Shelter aufgewachsen ist oder ein erwachsener Hund, der jahrelang nur das Shelter kannte, ist mit einem Umzug in eine sehr belebte Umgebung meist überfordert denn er kennt sehr vieles einfach nicht und kann mit den vielen Veränderungen und Einflüssen einfach nicht umgehen.
Ein ehemaliger Straßenhund, welcher im Dorfzentrum auf der Suche nach Futter und Liebe gefunden wurde, wird mit solchen Situationen viel besser zurecht kommen. Es ist verständlich, dass die Tierschutzorganisationen oftmals nur wenig Zeit haben um einen Hund vollständig zu evaluieren, aber es gibt Fragen bzw. Gedanken, welche sich der Adoptant stellen und hinterfragen muss damit die Vermittlung auch klappt.
Gesundheitliche Aspekte, welche in meinen Augen wichtig sind, wäre auch, ob der Hund auf Mittelmeerkrankheiten getestet wurde. Diese Snap-Tests (Borreliose, Ehrlichiose, Anaplasmose und Dirofilarien) kosten zwar pro Tier zwischen 25 und 30 EUR, aber sie können nicht nur Leben retten sondern sind auch wichtig um vor einer bösen Überraschung geschützt zu sein.
Aber Achtung: Ein Test auf Dirofilarien (Herzwürmer) macht nur Sinn, wenn das Tier älter als 6 Monate ist. Jüngere Hunde können durch die Gabe einer Milbemycin-enthaltenden Entwurmungstablette oder bestimmten Spot-Ons (z.B. Milbemax, Milpro oder Advantix bzw. Scalibor) vor den “Babies”, den Mikrofilarien geschützt werden. Wenn ihr also einen Welpen aus den wärmeren Ländern (dazu gehören auch Länder wie Rumänien, Bulgarien, Serbien, Bosnien etc) adoptiert, gebt ihnen ca. 2-4 Wochen nach Ankunft eines der obigen Mittel oder lasst sie auf Mikrofilarien im Blut testen.
Passung zwischen bereits vorhandenen Vierbeinern:
Der Welpe/Junghund zum alten Hund? Der Dackelmischling zum Windhund? Der gemütliche zum aktiven Hund? Ja, das kann funktionieren, kann aber auch so richtig schief gehen. Überlegt und besprecht Euch, welchen Hund sich eure vorhandenen Vierbeiner wünschen. Was mag er/sie gerne, wogegen hat er/sie Abneigungen? Welchen Typ Hund mag mein bereits vorhandenes Familienmitglied?
Wenn ihr Euch nicht sicher seid, lasst Euch von einem Profi beraten. Fast jeder gute Trainer (z.B. bei der VÖHT in Österreich, bei Gewaltfreies Hundetraining in Deutschland und Schweiz, links am Ende des Textes) kann Euch mit wenig Aufwand sagen, welcher Typ Hund zu eurem Hund passen könnte. Macht Gebrauch davon wenn ihr nicht sicher seid. Es lohnt sich für eine harmonische Zukunft.
Stubenreinheit, Leinenführigkeit, Autofahren und Treppensteigen sind natürlich Dinge, welche viele Hunde erst lernen müssen. Aber diese sind trainierbar und in meinen Augen das kleinste Problem.
Die Adoption von Auslandshunden ist eine tolle und sehr ehrenwerte Sache und wird in den meisten Fällen problemlos klappen sofern man sich vor der Adoption Gedanken macht. Man kann sich leider nicht darauf verlassen, dass die Tierschutzorganisationen von sich aus all diese Information bereitstellen, also übernehmt Verantwortung und fragt nach. Eine viel zu selten genutzte Option ist es auch einen guten Hundetrainer vor Anschaffung um Beratung zu bitten, welcher Hund zu Euch passt und ob der ausgewählte Hund diese Eigenschaften mitbringt.
Tierschutzhunde (egal woher) KÖNNEN völlig unkompliziert sein (wie jeder andere Hund, WENN DIE PASSUNG ZWISCHEN HUND UND MENSCH STIMMT).
Tierschutzhunde können aber auch ihre Vorgeschichte mitbringen…. Eine seriöse Organisation klärt Euch über die Charaktereigenschaften auf, macht Vorkontrollen wo ihr weitere Fragen stellen könnt, testet Verhaltensweisen (z.B. gegenüber Kindern und anderen Hunden), schickt Videos und steht Euch bei Fragen zur Seite.
Eine Sache, welche im Auslandstierschutz meist gar nicht oder nur nebenbei erwähnt wird:
Kastrationen von Besitzertieren und Straßenhunden im Ausland sind der Schlüssel zum nachhaltigen Tierschutz
Sucht Euch eine Organisation, welche auch vor Ort etwas gegen die Überpopulation unternimmt indem sie auch Tiere kastrieren, welche NICHT ins Ausland verschickt werden.
Nur so macht Auslandstierschutz wirklich Sinn und ist nachhaltig! Weniger zu rettende Tiere bedeutet auch weniger Leid und Korruption im Land selbst.
Zu mir: Ich bin dt.österr. Hundetrainerin und lebte die letzten 3 Jahre zusammen mit meinen 5 Hunden, 4 Katzen und bis zu 10 Pflegehunden in Rumänien. Seit 2018 lebe ich in Niederösterreich und berate und trainiere Menschen mit ihren Hunden. Einmal monatlich bin ich für 1 Woche in Rumänien um dort größere Kastrationseinsätze durchzuführen wo arme Rumänen ihre Tiere bringen können.
Mein Herzensprojekt ist S.P.E.P (Stray Prevention and Education Program), ein Projekt zur Verringerung bzw. Vermeidung von Straßenhunden und -katzen durch kostenlose Kastrationen von Tieren armer Halter und Straßenhunde.
Blogparade 2018
Dieser Artikel erscheint im Rahmen der Blogparade 2018 zur Aktion „Tausche TV-Trainer-Ticket gegen Training“ der Initiative für gewaltfreies Hundetraining. Seit 2014 tauschen mehr als 200 TrainerInnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz gebrauchte TV-Trainer-Tickets für ein halbes Jahr nach der Veranstaltung gegen eine Gratis-Trainingsstunde.
Auch dieser Blogartikel ist Teil der Blogparade, den Startschuss dazu machte Sunny Benett mit ihrem Blogbeitrag über die Fabel von der ruhigen Energie.